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Wie steht es in Zeiten des Klimawandels um den Wald im Landkreis Ludwigsburg?

Diese Frage beschäftigte die Grüne Kreistagsfraktion schon lange Zeit bevor die Ergebnisse der Waldzustanderhebung für das Jahr 2019 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Frühjahr veröffentlicht wurden.           

Die Ergebnisse der Waldzustandserhebung dokumentieren den erschreckend schlechten Zustand unserer Wälder. Schon im trockenen Hitzejahr 2018 hatte der Wald stark gelitten, leider hat sich dieser Trend im Jahr 2019 noch verstärkt. Der Bericht zeigt auf, dass die Absterberaten bei den Nadel- und Laubbäumem so hoch ist wie seit 20 Jahren nicht mehr. Auch der überlebende Baumbestand hat zu kämpfen. Wie die Zustandserhebung ergab, ist nur noch jeder fünfte Baum frei von Schäden und Kronenverlichtungen.

 

Im Waldgesetzt von Baden-Württemberg ist im § 1 Gesetzeszweck im 1. Absatz festgeschrieben:  Zweck dieses Gesetzes ist

1. den Wald wegen seines wirtschaftlichen Nutzens (Nutzfunktion) und wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, insbesondere für die dauernde Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit, die Tier- und Pflanzenwelt, das Landschaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur und die Erholung der Bevölkerung (Schutz- und Erholungsfunktion) zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern; Leitbild hierfür ist die nachhaltige, naturnahe Waldbewirtschaftung,

 

Die Mitglieder der Kreistagsfraktion wollten wissen, wie dies im Landkreis umgesetzt wird und wie es um den Zustand des Waldes im Landkreis Ludwigsburg bestellt ist.                                                                                    

In einem ersten Schritt fand bereits im Februar ein ausführliches Informationsgespräch mit dem Dezernenten Dr. Christian Sussner und dem Fachbereitsleiter Wald Dr. Michael Nill in der Fraktion statt. Herr Nill gab uns eine sehr detaillierte Übersicht über die Organisation und die Aufgaben des Fachbereichs, die Zusammensetzung und Funktion des Waldes, die Herausforderungen durch den Klimawandel und die sich daraus ergebenden Handlungsfeldern. Durch die Forststrukturreform hat sich die Zuständigkeit des Fachbereichs geändert, das Landratsamt ist nun nicht mehr für den Staatswald zuständig, der 12 % der Waldfläche im Landkreis ausmacht. Dazu gehören z.B. Favoritepark, Salonwald, Rothenacker Wald und Bietigheimer Forst. Die Zuständigkeit umfasst nun noch die Kommunalwälder und auf Wunsch werden Privatbesitzer beraten und betreut. Der Fachbereich wurde deshalb Anfang 2020 von FB Forsten in FB Wald umbenannt und ist für 72 % der Waldfläche, bzw. 9.100 ha, im Landkreis zuständig. Davon sind ca. 3.000 ha Wasserschutzwald, ca. 1.300 ha Bodenschutzwald, ca. 3.000 ha Klima- und Immissionsschutzwald, ca. 8.500 ha Landschaftsschutzgebiet, ca. 300 ha Waldrefugien, ca. 280 ha Naturschutzgebiet und ca. 150 ha Bann- und Schonwald. Forstwirtschaftlich gesehen beträgt der Holzvorrat 290 Vorratsfestmeter/ha, der Zuwachs beträgt jährlich 6,3 Fm/ha, genutzt werden 4,6 Fm/ha. Für unsere Fraktion von besonderem Interesse waren die Informationen wie der FB den Herausforderungen durch den Klimawandel entgegenwirkt.

Dazu gehört, dass die geschädigten Wälder möglichst durch Naturverjüngung wieder aufgebaut werden. Das gelingt bei Buchen, jedoch nicht bei Eichen, deshalb sind auch Pflanzungen durch geeignete Baumarten notwendig. Die Hauptbaumarten bei Wiederaufforstung sind Hainbuche, Elsbeere, Speierling, Douglasie und Schwarz-Fichte. Ziel ist, stabile, standortsgerechte, klimaangepasste und möglichst produktive Mischwälder zu bekommen. Zur Förderung der Biodiversität soll eine möglichst große Bandbreite an unterschiedlichen Lebensräumen und Strukturvielfalt durch Flächenstilllegungen geschaffen bzw. erhalten werden. Die bundesweite Strategie sieht dafür eine Fläche von 5 % vor. Im Jahr 2020 soll(te) das Schwerpunktthema „Klimawandel“ in der Waldpädagogik besonders gestärkt werden. Durch den informativen Vortrag und zahlreiche Nachfragen aus der Fraktion war es ein sehr informativer und interessanter Abend, wofür sich die Fraktion bei Herrn Dr. Nill und Herrn Dr. Sussner bedankte.

 

Auf die Theorie sollte nun die praktische Anschauung folgen, Corona bedingt leider mit zeitlicher Verzögerung. Am 5. August 2020 konnte dann die Waldbegehung im Stadtwald Gerlingen unter der kundigen Führung des Revierförsters Simon Walz durchgeführt werden. Neben seinen Aufgaben als Revierförster ist er auch für den Bereich Waldpädagogik zuständig. Die Projekte konnten in diesem Jahr durch die Coronapandemie leider nicht im erforderlichen Maß umgesetzt werden. Herr Walz führte uns an ausgewählten Standorten im Wald, dass die Auswirkungen des Klimawandels auch in Gerlingen deutlich sichtbar werden. Braunverfärbungen des Laubes setzen immer früher im Jahr ein, ein deutliches Zeichen für Wassermangel. Auch in diesem Jahr blieb die Regenmenge wieder unter der erforderlichen Menge. Ebenso zeigte uns Herr Walz viele Bäume mit fortgeschrittener Kronenverlichtung. Besonders die Fichte leidet unter dem Wassermangel, so dass Schädlinge wie der Borkenkäfer leichtes Spiel haben. Befallene Bäume müssen schnell geschlagen und aus dem Wald gebracht werden, damit der Befall möglichst eingedämmt werden kann. Die wichtige Funktion des Waldes als Kohlenstoffdioxidspeicher ist durch die klimatischen Veränderungen in Gefahr. Werden die gefällten Bäume zu langlebigen Holzprodukten verarbeitet, behalten sie ihre positive Klimawirkung für viele Jahre. Holz, das zur Energiegewinnung verbrannt wird, ist zumindest klimaneutral.

Herr Walz erläuterte aus Sicht der Forstverantwortlichen, dass zwei wichtige Aufgaben zügig anzugehen sind: Erstens, welche Baumarten kommen besser mit den Klimaveränderungen zurecht und zweitens welche Baumarten sind widerstandfähiger gegen Schädlingsbefall. Im Fokus stehen drei Baumarten: Die Douglasie, die Libanonzeder und die Flatterulme, die bereits an verschiedenen Standorten im  Gerlinger Wald gepflanzt wurden.

Dabei muss aus unserer Sicht streng auf die Erhaltung der Biodiversität geachtet werden. Herr Walz erklärt, dass nur ein Teil des Waldes bewirtschaftet wird. Bestimmte Bereiche im Wald bleiben ohne Eingriffe, eine besondere Rolle spielen z.B. auch Habitatbäume.

Welche Bedeutung der Wald als Naherholungsraum hat, konnten wir  beim Waldrundgang hautnah erfahren. Wir und viele andere Spaziergänger*innen genossen das Grün und die Waldluft. Auch bei Fahrradfahrer*innen und Jogger*innen sind die (breiteren) Waldwege sehr beliebt, um sich fernab des Straßenverkehrs in der Natur bewegen zu können.

Beim Waldrundgang musste sich Herr Walz vielen Fragen, auch kritischen, stellen: Einsatz von Harvestern, was bedeuten die farbigen Punkte auf den gefällten Holzstämmen, wie wirken sich die ausgewählten nicht heimischen Versuchsbaumarten auf die heimische Fauna bzw. auf das Ökosystem aus, ……. die er alle geduldig beantwortet hat.

 

Dafür und für den sehr informativen Waldrundgang bedankten sich die Mitglieder der Kreistagsfraktion bei Herrn Walz.

 

Eines ist ganz klar geworden: Es bedarf großer Anstrengungen, damit unsere Wälder trotz Klimawandel eine Zukunft haben.

 

Waldbegehung mit Revierförster Simon Walz im Gerlinger Stadtwald

Die kleine Waldfee am Weg lädt zum Nachdenken ein. Sie trauert um den stolzen Baum, aus dem sie entstanden ist.

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