video_label

Bezahlkarte für Geflüchtete

Sitzung des Kreistags am 19. April 2024

TOP 4 Sachstandsbericht zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete

Redebeitrag Brigitte Muras

 

Sehr geehrter Herr Allgaier, sehr geehrter Herr Vogt, meine Damen und Herren,

 

Grundlage für den Sachstandsbericht ist ein Antrag der FDP-Fraktion zur schnellstmöglichen Einführung einer Bezahlkarte, die Geldtransfers ins Ausland sowie das Abheben von Bargeld unterbindet.

Einige Anmerkungen zum TOP:

Genau vor einer Woche wurde im Deutschen Bundestag dem Gesetzentwurf für die bundesrechtliche Absicherung zur Einführung einer Bezahlkarte mehrheitlich zugestimmt. Damit wurde der gesetzliche Rahmen beschlossen. Es wurde keine einheitliche Bezahlkarte für ganz Deutschland beschlossen. Bei den Bundesländern und den Leistungsbehörden vor Ort liegt es nun wie die Umsetzung, unter Einhaltung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes, erfolgen wird. 

Was aber beschlossen wurde ist, dass bei der Einführung der Bezahlkarte das Existenzminimum und die soziale und kulturelle Teilhabe von Menschen garantiert werden muss.

Um dies zu garantieren ist der Zugang zu Bargeld unerlässlich und deckt sich nicht mit der Forderung des FDP-Antrags, Bargeldabhebungen auszuschließen.

Für Menschen außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften muss der Zugang zu Bargeld gewährleistet werden, um z.B. den ÖPNV nutzen zu können oder in Geschäften einzukaufen, in denen die Bezahlkarte nicht anerkannt wird. Einkäufe im Tafelladen, im Sozialkaufhaus oder auf Märkten sind nicht möglich. Gerade für Familien mit Kindern ist Bargeld notwendig, z.B. im schulischen Bereich für Zahlungen in die Klassenkasse oder beim Schulausflug. Nicht alles Notwendige kann vor Ort eingekauft werden, Fachärzt*innenpraxen wie z.B. Kinderärzt*innen, Gynäkolog*innen etc. gibt es oft nur in der nächsten Stadt. Um dort hinzugelangen muss ein ÖPNV-Ticket gelöst werden. Diese wenigen Beispielen zeigen, wie kurz hier gedacht wird.

Außerdem muss auch die Möglichkeit geschaffen werden Überweisungen zu tätigen, auch Vertragsabschlüsse, die Lastschrift-Abbuchungen von einem Konto benötigen, z.B. für Strom, für Internetanschluss, Versicherungen, Mitgliedschaften etc., müssen möglich sein.

Die Forderung Überweisungen auszuschließen, damit keine Geldüberweisungen in die Herkunftsländer möglich sind, ist wirklichkeitsfremd. Das Bundesfinanzministerium hat keine Daten, die dies belegen. Der allergrößte Anteil des von der Bundesbank in diesem Bereich erfassten Geldes bleibt in Europa. Es stammt von den Menschen, die als Saisonkräfte bei uns arbeiten, damit der Spargel geerntet werden kann oder die Erdbeerernte nicht auf den Feldern bleibt. Mit Blick auf die Höhe der Leistungssätze würde, wenn überhaupt, der Umfang von Geldtransfers eher gering ausfallen und kaum einen wesentlichen Anreiz für Migration bieten. Zudem wurden der Bezugszeitraum der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz niedrigeren Leistungen jüngst von 18 Monaten auf 36 Monate verlängert.

Gründe für Migration sind vor allem die Zerstörung der Lebensgrundlagen in den Herkunftsländern durch Krieg und/oder Verfolgung durch diktatorische Regime. Die Menschen nehmen lange, riskante Wege auf sich. Was sie suchen ist ein Leben in Sicherheit, sie wollen Arbeiten und ein Teil der Gesellschaft sein. 

Die von vielen postulierte Reduzierung der Migration nach Deutschland durch die Einführung einer restriktiv ausgestatteten Bezahlkarte greift nicht. Sie behindert jedoch die Teilhabe der Betroffenen und erschwert die Integration.

Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit Sitz in Nürnberg hat die Integration von 2015 Geflüchteten in den Arbeitsmarkt untersucht. Im Jahr 2022 waren knapp 2/3 in Arbeit, davon 9 von 10 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Anteil der Erwerbsquote lag bei männlichen Geflüchteten bei 75%, bei weiblichen Geflüchteten bei 31%. Als Gründe für Arbeitshemmnisse wurden lange Asylverfahren und das Beschäftigungsverbot genannt.

Die evangelische Diakonie Deutschland zeigt in ihrem Positionspapier „Faktencheck Bezahlkarte“ vom 1. Mäz 2024 die Risiken detailliert auf und fordert „Konto vor Bezahlkarte“. Die Diakonie fordert Bund, Länder und Kommunen auf, wenn überhaupt, die Bezahlkarte so zu gestalten, dass sie sinnvoll und diskriminierungsfrei eingesetzt wird.

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat eine Briefaktion zur Bezahlkarte gestartet mit der Aufforderung an die Mandatsträger*innen sich dafür einzusetzen, dass mit der Bezahlkarte auch Überweisungen getätigt werden können, Bargeld abgehoben und ohne geografische Beschränkung bezahlt werden kann.

Beispielhaft hierfür ist Hannover mit dem GRÜNEN Oberbürgermeister Belit Onay. Er hat Ende letzten Jahres eine „SocialCard“ eingeführt, sowohl für Asylbewerber*innen als auch für Menschen, die Hilfe nach SGB XII empfangen und kein eigenes Konto haben. Die Debitkarte von Visa kann an Geldautomaten und in jedem Geschäft eingesetzt werden, das die Karte akzeptiert.

Außerdem vereinfacht die SocialCard die Geldüberweisungen, entlastet dadurch sowohl die Empfänger*innen als auch die Verwaltung, Warteschlangen gehören der Vergangenheit an.

Damit wird auch das Ziel erreicht durch die Nutzung solcher Karten Personalressourcen in der Verwaltung für andere Aufgaben frei zu machen, wichtig auch mit Blick auf den Fachkräftemangel.

 

Die SocialCard, ein gangbarer Weg im Landkreis Ludwigsburg?

Wir meinen – Ja!

 

expand_less