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Verabschiedung des Haushaltsplans 2023

Sitzung des Kreistags am 09. Dezember 2022   TOP 1  Haushaltsplan 2023 und Finanzplanung 2022 bis 2026  -Verabschiedung-      

Redebeitrag von Jürgen Walter    

 

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Frau Beck, meine Damen und Herren,

 

seit nahezu 15 Jahren befindet sich unsere Gesellschaft, ja ein Großteil der Welt im Krisenmodus. Krisen, in die wir bei weitem nicht so unvorbereitet gestolpert sind, wie manche uns glauben machen wollen oder wir oft selbst glauben. So wurde jahrelang vor einer ungezügelten Finanzwirtschaft gewarnt, ohne Konsequenzen bis zum Lehmann Brother Desaster. Die Gier war ganz eindeutig größer als die Vernunft.

 

Auch der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine und die damit ausgelöste Energiekrise hat viele Jahre Vorlauf, mit Kriegen, Menschenrechtsverletzungen und Morden direkt vor unseren Augen. Zur „Strafe" für die Annexion der Krim bekam Putin 2014 einen Vertrag über den Bau von Nord Stream 2. Auch hier war die Gier – in diesem Fall nach fossilen Brennträgern – größer als die Vernunft, als der Wille nach Veränderung.

 

Und während all dieser Zeit hat sich die größte Krise, die Klimakatastrophe, immer mehr auf unserem Planeten ausgeweitet. Ziehen wir daraus nun die richtigen Konsequenzen oder verfahren wir auch hier nach dem Motto des großartigen Films „Don’t Look Up", in dem ein die Erde zerstörender Meteorit ignoriert wird. Statt auf die Mahnungen der Wissenschaft zu hören, wollen die Menschen das Problem lösen, indem sie nicht nach oben schauen.

 

Erst vor wenigen Wochen ist der „UN-Klimagipfel“ in Scharm-El-Scheich gescheitert. Wieder ist es die Gier nach Geld und fossilen Brennträgern, die einer Umkehr im Wege steht.

 

Was heißt dies nun für uns vor Ort, welche Maßnahmen sind zu ergreifen, um einen möglichst großen Beitrag zu leisten, den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu minimieren und den Kreis Ludwigsburg so klimaresilient wie möglich zu machen. Sicher werden wir die Klimakatastrophe nicht durch entschiedenes Handeln im Kreis Ludwigsburg aufhalten, aber dies ist kein Grund für weiteres Zögern.

 

Ausreden gelten nicht mehr. Denn die Fakten liegen auf dem Tisch. Kurz gesagt, wenn wir jetzt nicht endlich handeln, zerstören wir die Lebensgrundlagen kommender Generationen. Der Arzt Eckhardt von Hirschhausen formulierte es so: „Die Klimakrise ist keine Jugendbewegung und auch keine Modeerscheinung. Es ist die existentiellste Krise, die die Menschheit je zu bewältigen hatte“.

 

Ein Blick auf den vorliegenden Haushalt des Kreises macht deutlich, trotz der einen oder anderen Maßnahme, trotz mancher Projekte oder die Beteiligung an Klimabündnissen, es wird weiterhin mehr für die Zerstörung der Umwelt ausgegeben als für deren Rettung.

 

Ein Beispiel: Für den Straßenbau investieren wir auch im kommenden Jahr ein Vielfaches von dem, was wir für aktiven Klimaschutz ausgeben. Dabei warten viele Aufgaben auf uns, beispielsweise die Sanierung der kreiseigenen Gebäude.

 

Um diese Aufgabe zu meistern, fordern wir, den Spieß zumindest so lange umzukehren bis alle kreiseigenen Immobilien energetisch saniert sind.

 

Wir beantragen daher die Erstellung eines Konzepts für die energetische Sanierung aller kreiseigenen Immobilien. Ebenso beantragen wir die Erstellung eines Wärmekonzepts. Wir dürfen uns im Kreis nicht länger mit einem Projekt hier oder da zufriedengeben. Nein, es muss endlich Butter an die Fische!

 

Die steigenden Energiepreise werden uns ohnehin zu raschem Handeln zwingen. Deshalb muss Energie nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft eingespart werden.

 

Unsere grundsätzliche Forderung lautet: Ab dem nächsten Haushalt muss der von uns geforderte Klimacheck verbindlich eingeführt werden.

 

Die steigenden Preise sollten uns aber auf keinen Fall dazu verleiten lassen, wieder auf die Instrumente der Vergangenheit zu setzen. Die unsinnigste Forderung in diesem Zusammenhang, ist die nach einer längeren Laufzeit der noch verbliebenen AKW’s.

 

Da die Bestellung neuer Brennstäbe sehr lange dauern würde und wir diese vermutlich auch noch aus Russland geliefert bekämen – für diesen Bereich greifen die Sanktionen nicht - würde uns die Rückkehr zu dieser Hochrisikotechnologie kurzfristig ohnehin nicht helfen. Sie wäre das Gegenteil einer nachhaltigen Politik. Wie lange wollen denn die Befürworter einer Laufzeitverlängerung noch Atommüll ohne Endlager produzieren und wie viel Atommüll wollen sie in Neckarwestheim noch aufhäufen. Diesen Weg werden wir ganz sicher nicht mitgehen!

 

All die von mir erwähnten Krisen – und dies sollte uns längst bewusst sein, können nicht mit den Methoden des letzten Jahrhunderts bewältigt werden. Wir müssen verstehen, dass wir unsere Art zu leben, unsere Produktion, unseren Umgang mit den natürlichen Ressourcen ändern müssen. Das fällt uns Menschen als Gewohnheitstieren bekanntlich schwer, zudem in einer Krise, die von der Psychologin Katharina Bronswijk so beschrieben wurde:

 

„Die Klimakrise war lange räumlich, zeitlich und sozial weit weg von uns. Als gefühlt etwas, das in 200 Jahren irgendwelchen Eisbären passiert und nicht uns“. Nur: Die Eisbären klopfen mittlerweile an unsere Haustüre, wenn sie nicht längst verhungert sind!

 

Gerade wir, die in der Verantwortung stehen, müssen die Menschen mitnehmen, ihnen auch Vorbild sein.

       

Statt immer vor diesem oder jenem zu warnen, sollten wir endlich in unserem politischen Narrativ darauf hinweisen, wie viele Vorteile ein konsequenter Klimaschutz mit sich bringt. Zum Beispiel: Bessere Luft, weniger Hitzewellen und Flutkatastrophen. Und: Die ökologische Transformation wird auch im Kreis Ludwigsburg zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen.

 

Wir freuen uns, dass Landrat Allgaier unsere Idee aufgegriffen hat, mit der Region Bergamo eine Klimapartnerschaft zu vereinbaren und zu entwickeln. Das Europa der Regionen muss weiter gepflegt und gehegt werden!

 

 

Das zu Ende gehende Jahr brachte aber auch positive Entwicklungen. Nach vielen Jahrzehnten des Stillstands scheint es nun endlich mit der Reaktivierung der Bahn Ludwigsburg-Markgröningen und dem Aufbau eines Stadtbahnnetzes im Kreis zu klappen. Wir danken Landrat Allgaier und Oberbürgermeister Knecht, die den jahrelangen Kampf zwischen Stadt und Kreis beendet haben. Der Streit um die Stadtbahn zeigt aber auch noch etwas Anderes: Während weltweit Stadtbahnen installiert werden, weil sie die Menschen umweltfreundlich direkt in die Stadtzentren bringt und diese nachweislich belebt, weil sie wie kein anders Verkehrsmittel mit dem Fußgängerverkehr harmoniert, obwohl sie die Lebensqualität verbessert und die Innenstädte belebt, trotz all den Vorteilen, wird in Deutschland – siehe Ludwigsburg - die Stadtbahn immer noch kritisch beäugt. Dabei ist es doch nicht absurd, eine Stadtbahn auf der Wilhelmstraße in Ludwigsburg zu planen, sondern es ist grotesk, dass dort immer noch Autos fahren.

 

Ganz besonders danken wir dem Geschäftsführer des Zweckverbands, Frank von Meissner. Was dieser sehr kompetente, kreative und geduldige Mensch geleistet hat, kann nicht genügend gewürdigt werden. Seine Berufung ist wie ein Sechser im Lotto, aber mit Zusatzzahl!

 

Eine sehr gute Entscheidung ist der Start des landesweiten 365-Euro-Ticket für Jugendliche am 1. März kommenden Jahres. Ein überfälliger Schritt.

 

Die gestrige Einigung über die Einführung des 49-Euro-Tickets wird sicher zu einer stärkeren Nutzung des ÖPNV führen. Hoffentlich erfolgt nun die rasche Umsetzung des Beschlusses. 

 

Der Verkehrsbereich ist bekanntlich das große Sorgenkind des Klimaschutzes. Dieser kann nur gelingen, wenn wir es auch im Kreis schaffen, beim sogenannten „Modal Split“ einen größeren Anteil für den ÖPNV und das Rad schaffen. Deshalb ist auch die Verkehrsabteilung des Landratsamtes gefordert, ihre oft zu einseitig auf das Automobil ausgerichtete Politik den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts anzupassen.

 

Überzeugungsarbeit wird es auch bei der Suche nach einer neuen Deponie für Erdaushub benötigen. Wir machen uns da nichts vor, nirgendwo wird eine solche Deponie willkommen sein.

 

Wie geht es nach den hitzigen Debatten im Bottwartal und im Strohgäu weiter?

 

  1. Bereits vor der Suche nach einer neuen Deponie im Kreis Ludwigsburg hätten die Gespräche mit der Region über eine weitere Deponie geführt werden müssen. Leider ist diese Mahnung meiner Fraktion unerhört verhallt. Deshalb ist die allererste Aufgabe, Verhandlungen mit dem Verband Region Stuttgart über weitere Deponien in der Region zu führen.

  2. Ebenso sind wir der Meinung, dass solch schwierige Prozesse nach einer externen Moderation verlangen, wie sie von meiner Kollegin Doris Renninger schon sehr frühzeitig gefordert wurde.

 

 

Bekanntlich hatten wir schon vor drei Wochen daher einen weiteren Suchlauf gefordert, der auch die bisher ausgeschlossenen Standorte näher erkundet. Wir begrüßen es, dass Landrat Allgaier die Notbremse gezogen hat und ein neuer Suchlauf mit transparenten Parametern gestartet werden soll.

Kein anderes Amt, keine andere Gesellschaft des Kreises hat praktisch mit jeder Bürgerin und jedem Bürger im Kreis in dem Maße zu tun wie die AVL. Sie ist daher ein sehr wichtiges Aushängeschild für das Landratsamt und damit einer wichtigen Institution des demokratischen Rechtsstaats. Deshalb sind der Landrat, die AVL und der gesamte Kreistag nun besonders gefordert.

 

Ein weiterer Grund für die Krisen unserer Zeit ist die Herabwürdigung des Gemeinwohls. Einhergehend mit einem oft grenzenlosen Egoismus. Da muss man sich nicht mehr über die Spaltung der Gesellschaft wundern, insbesondere vor dem Hintergrund einer immer mehr auseinander driftenden sozialen Schere. Es muss daher eine zentrale Aufgabe für uns sein, diejenigen zu unterstützen, denen das Gemeinwohl unserer Gesellschaft am Herzen liegt und daran arbeiten, die Spaltung unserer Gesellschaft zu überwinden. Sehr positiv bewerten wir daher die Annahme der Anträge in den zuständigen Ausschüssen, die Karlshöhe Ludwigsburg und die Ev. Jugendhilfe Hochdorf entsprechend zu unterstützen. Wo würde unsere Gesellschaft ohne solche Einrichtungen stehen!

 

Unterstützung benötigen auch die zahlreichen Geflüchteten, die aufgrund des russischen Angriffskriegs, Hungersnöten, Umweltzerstörung oder wegen Unterdrückung zu uns gekommen sind. Zur Unterstützung und Koordination der Geflüchtetenarbeit haben wir beantragt, eine hauptamtliche Stelle zu schaffen. Wir bauen auf Ihre Zustimmung!

 

Immer wenn wir die schrecklichen Bilder aus der Ukraine oder auch anderen Brennpunkten in der Welt sehen, sollten wir uns daran erinnern, wie sehr diese Menschen unsere Solidarität benötigen und verdient haben. Und bei allen Problemen, die wir gerade haben, sollten wir immer daran denken, dass es uns wesentlich besser geht als den Menschen in Krisengebieten, die nicht wissen, ob es morgen noch oder wieder Strom, Heizung und Wasser geben wird.

 

Humanismus ist eine essentielle Grundlage der Demokratie, auf die unsere Gesellschaft gegründet ist. Darüber sind wir uns hoffentlich einig.

 

Zudem sollten wir – auch angesichts der Personalprobleme vieler Branchen - das Positive in der Migration sehen.

 

Allein schon die von mir angesprochenen Themen machen deutlich, wie vielfältig und anspruchsvoll die Aufgaben des Landratsamtes sind. Diese Aufgaben – und die Ansprüche daran werden nicht kleiner werden – erfordern auch einen entsprechend ausgestatteten Stellenplan.

 

Durch die Organisationsuntersuchung wurden die Defizite in vielen Bereich offensichtlich. Dazu kommt, dass auch der Landkreis Mühe hat, qualifizierte Mitarbeitende zu finden und zu binden. Das hat nun wohl auch endlich dazu geführt, dass die Akzeptanz für die notwendigen Stellenbewilligungen in diesem Gremium zugenommen hat. Angesichts des personellen Mehraufwands für Ukraine-Geflüchtete, Asyl, Corona sowie rechtlicher Änderungen wie bspw. beim Bundesteilhabegesetz sowie der steigenden Anforderungen an den Kreis im Sozialbereich, bei der Digitalisierung, dem Klimaschutz und vielen weiteren Bereichen halten wir die Stellenschaffungen für angemessen. Endlich sind Stellenentfristungen in größerer Zahl vorgenommen wurden. Ein guter erster Schritt. Aber noch immer sind zu viele Mitarbeitende weiterhin in befristeten Arbeitsverträgen. Das sollte sich in den nächsten Jahren ändern. Gespannt sind wir auf das von der Verwaltung auf unsere Bitte hin zugesagte Konzept wie den auch vom Personalrat benannten Problemen begegnet werden könnte.

 

Um all die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, benötigen wir einen Haushalt, der solide finanziert und nicht auf Kante genäht ist. Hier sind wir alle gefordert!

 

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf ein Ereignis eingehen, das ein wenig erfreuliches Licht auf unseren Kreistag und seine Arbeitsweise wirft.

 

Es kann in einem demokratischen Gremium auf keinen Fall akzeptiert werden, dass im Kreistag Anträge vor allem mit der Begründung abgelehnt werden, diese wären in der Bürgermeister-Besprechung nicht besprochen worden. Ein ignoranter und arroganter Vorgang.

 

Dieses Verhalten wirft die Fragen auf:

 

Welches Demokratieverständnis herrscht in der Bürgermeisterrunde?

Werden Anträgen der Verwaltung nur zugestimmt, wenn sie dazu zuvor ihr Plazet gegeben hat oder sind die Bürgermeister im Kreistag etwa Kreisräte 1. Klasse?

 

Ihr Abstimmungsverhalten im Ausschuss für Umwelt und Technik, als es um die Einführung einer Stelle zur Klimaschutzkoordination im Kreis ging, hat auf jeden Fall gezeigt, Eitelkeit ist wohl wichtiger als der Klimaschutz. Was uns sehr zu denken gibt!

 

Wir danken allen an der Aufstellung des Haushalts beteiligten Menschen für ihre Arbeit, allen voran Frau Beck und Ihrem Team. Ebenso bedanken wir uns bei allen Mitarbeitenden des Landratsamtes für ihren täglichen Einsatz. Dem Personalrat danken wir für die vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit. Wir möchten auch die Gelegenheit nutzen, der Geschäftsstelle des Kreistags für die tolle Unterstützung unserer Arbeit danken! Was würden wir ohne Sie tun!

 

Eines dürfte wohl Konsens sein – Die Zukunft wird kommen. Wir haben nun die Möglichkeit, uns darin zu verlieren oder sie zu gestalten. Wir plädieren für die zweite Möglichkeit.

 

Deshalb muss das Motto lauten für 2023 und darüber hinaus gelten: Look Up!!

 

Wir stimmen dem Haushaltsplan mit allen Änderungen und der Finanzplanung zu.

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

 

 

 

 

 

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